Wo mir sind isch vorne
Tragikomödie von Hannes Stöhr
Das schwäbische Traditionsunternehmen für Textilmaschinen „Bogenschütz & Söhne“ ist in die Turbulenzen der Globalisierung geraten. Es droht die Insolvenz. Der jüngere Sohn Michael, Geschäftsführer in vierter Generation, versucht alle Möglichkeiten auszuloten und führt Auftragsverhandlungen mit einer chinesischen Firma. Doch Seniorchef Paul Bogenschütz pocht auf die Fortführung seiner Aufbauarbeit nach dem Krieg und will, als Sicherheit für neue Firmenkredite, die Privathäuser aller Familienangehörigen an die Bank geben.
Am 99. Geburtstag von Vater Bogenschütz treffen in der Unternehmervilla alle Familienmitglieder aufeinander. Nicht nur die in Berlin mit Yogastudios erfolgreiche Tochter Marlies, sondern auch der abtrünnige Aussteigersohn Manfred aus Jamaika sind angereist. Während Marlies um ihre Existenzgrundlage bangt, will Manfred am liebsten sofort seinen Anteil an der Firma ausbezahlt. Zu alldem kommt auch noch Facharbeiter Kleinmann vorbei und trägt die Sorgen und Ängste der bereits in den Zwangsurlaub geschickten Mitarbeiter vor. Agnieschka, die polnische Hilfskraft des alten Patriarchen, versucht die Fronten zu beruhigen, doch im Hause Bogenschütz liegen die Nerven blank.
Eine Lösung der verzwickten Lage ist nicht abzusehen. Eine Delegation der Firma Chong hat bereits ihren Besuch angekündigt. Aber auch in China ist die Maultasche ein heiliges Gericht.
Hannes Stöhr, der Berliner Kinoregisseur („Berlin Calling“, „One Day in Europe“ „Berlin is in Germa ny“) mit Hechinger Wurzeln hat seinen erfolgreichen Kinofilm eigens für das Theater Lindenhof adaptiert und den Stoff in der von ihm erstellten Bühnenfassung auf die Corona-Situation aktualisiert. Der Strukturwandel in der Textilindustrie auf der schwäbischen Alb und die Herausforderungen von mittelständischen Unternehmen in der Globalisierung sind der Hintergrund für ein tragikomisches Familien- und Generationenporträt.
Mit freundlicher Unterstützung von Firma Merz Hechingen und
Pressestimmen
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Hannes Stöhr, der sowohl das Drehbuch für den Film wie auch das Theaterstück geschrieben und in beiden Fällen Regie geführt hat, ist es geglückt, ein Stück echtes Leben auf die Bühne zu bringen. Das hat Tiefgang, der nicht unberührt lässt. Und das liegt vor allem an Bernhard Hurm: Seine Darstellung des Patriarchen Paul Bogenschütz mit all seinen Erfolgen, seinen Machtansprüchen als Ex-Firmenchef und Familienvater, aber auch nicht verwundenen Kriegstraumata ist so intensiv und authentisch, dass er die Theaterbühne ganz vergessen lässt. Da wurde nichts überzogen, nichts überreizt, nichts vertändelt […]. Freilich kann er dabei auf seine ebenfalls sehr natürlich agierenden Mitspieler zählen. Gerd Plankenhorn als der zur Insolvenzabwendung mit den Chinesen liebäugelnde Firmenchef spielt die verschiedenen Facetten des Dilemmas fein aus und bleibt doch in allem der abwägende, verantwortungsbewusste Unternehmer. Schwester Marlies (Linda Schlepps) gibt eine glaubwürdige Yogalehrerein mit verschiedenen Wellness Filialen in Berlin und Ökobauernhof ab, die dank Vatis Geldbeutel bequem alternativ leben kann. Und schließlich Stefan Hallmayer als schwarzes Schaf der Familie: Sein Späthippie Manfred, Ex-Hausbesetzer, Ex-Sänger einer Band, Vater von vier Kindern in vier Erdteilen und nun erfolgreicher Strandbarbetreiber auf Jamaika, gibt der Inszenierung herrlich schillernde Akzente, ohne der Versuchung zu erliegen, hier zulasten der Glaubwürdigkeit um des Effekts willen zu sehr vom Leder zu ziehen. Er hat genug Lacher auf seiner Seite. Denn auch das bietet die Inszenierung […]. Und schließlich das Schwäbisch. Es hat hier nichts von der sonst gern der Lächerlichkeit preisgebenden tölperlartigen Provinzialität, sondern ist ebenfalls stimmiger Bestandteil einer Natürlichkeit, die der ganzen Inszenierung innewohnt. […] Insgesamt hat das Theater Lindenhof Melchingen mit diesen schwäbischen Buddenbrooks für einen beachtlichen Abend gesorgt, der bei aller Heiterkeit doch sehr nachdenklich macht – über unterschiedliche Zeiten und das „Wo mir sind, isch vorne“, das hier ein deutliches Fragezeichen erhält. (Marita Kasischke)
Heilbronner Zeitung, 29.10.2022
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Die Bearbeitung eines Filmstoffes für die Bühne kann hier in mehrfacher Hinsicht als beispielhaft und absolut geglückt bezeichnet werden. Der schwäbische Dialekt macht die Eigenheiten, Mentalität, Denkweise und Geschichte der Menschen im Land sichtbar, ohne dass er als Sprache der Trottel und Dumpfbacken daherkommt. Spannende aktuelle Themen werden auf sehr unterhaltsame und doch realistische Weise verhandelt. Ein lebendiges Bühnenspiel ganz in der speziellen Theater Lindenhof-Tradition, bodenständig, intellektuell vorzeigbar und wundervoll gespielt! (Arnim Bauer)
Ludwigsburger Kreiszeitung, 30.03.2019
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Es ist das Verdienst des großartig aufspielenden Lindenhof-Ensembles, dass die Balance zwischen schwäbisch-gewitzter Heimatkomödie und hochaktuellem Wirtschaftsdrama so gut gelingt. Hervorragend die schauspielerischen Leistungen: Jede Figur hat Tiefe, wirkt authentisch und überzeugend. (Bettina Nowakowski)
Bietigheimer Zeitung, 30.03.2019
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Spielerisch ist es ihnen gelungen, sich von den Vorgaben des Films zu lösen. Wo der Streifen sich stellenweise etwas verzettelt, wirkt das Stück durch Kürzung und Komprimierung deutlicher, dichter und deshalb um so drängender. „Dieser Generation noch einmal zuhören, bevor sie geht“, war das Anliegen Stöhrs. Und immer dann, wenn Hurm als Bogenschütz von seiner verlorenen Jugend, vom Krieg, von der Verlogenheit des Nazi-Regimes erzählt, dem er anfangs auf den Leim gegangen war, wird die Tragikomödie dicht, fast beklemmend, und das Publikum ganz still. Das Theaterstück setzt der Textilindustrie von der Alb und ihren Firmenpatriarchen ein ebenso kritisches wie respektvolles Denkmal. Regisseur Hannes Stöhr und dem Ensemble ist ein Bravourstück gelungen. (Von Erika Rapthel-Kieser)
Schwarzwälder Bote, 06.03.2018
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Man wagt es kaum auszusprechen, doch das Bühnenstück schöpft die Konflikte, Schicksale, die Problematik und die Charaktere der Erzählung viel, viel tiefer aus, zeichnet sie viel schärfer als das Film-Original. Wer zu jung war, um zu erleben, wie im Bereich der Zollernalb eine ganze Branche (Textil) und über 100 000 Arbeitsplätze innerhalb weniger Jahre verdampften, der bekommt diese Epoche als tragikomisches Paradebeispiel im „Global Player“ vor Augen geführt. Zur Anschaulichkeit trägt bei, dass Bernhard Hurm lange nicht mehr so glänzend agierte wie in der Darstellung des Patriarchen Paul Bogenschütz (…). Man hatte am Samstag das Gefühl mitten im echten Leben zu sitzen, an Wirklichkeitsnähe übertrafen die Darstellungen sogar den Film. Diese Echtheit erstreckt sich nicht zuletzt auf die in der Geschichte verwobenen Kriegstraumata des Seniorchefs Paul Bogenschütz. Insgesamt ist damit ein großes Zeitbild entstanden: vom Wiederaufbau zum Strukturwandel der 80er bis heute. Beeindruckend imponierend. (Von Matthias Badura)
Hohenzollerische Zeitung, 05.03.2018
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Das Stück, das am Samstagabend vor vollem Haus Premiere feierte, hat das Zeug, zu einem echten Renner zu werden. Humor und Tiefgang, eine fein erzählte Tragikomödie mit Regionalbezug, heutige Figuren, an denen auch Molière und Shakespeare ihre Freude gehabt hätten, und ein vor Spielfreude nur so strotzendes Darstellerensemble machen den zweieinhalbstündigen Theaterabend zum Genuss. (…) Souverän, mit wunderbarem Gespür für die Schauspieler und den heimischen Dialekt setzt Stöhr um, was er sich vorgenommen hat: Heimat zu erforschen, aber nicht zu verklären. Volltreffer! (von Christoph Ströhle)
Reutlinger Generalanzeiger, 05.03.2018
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Das ist wieder eine Rolle wie maßgeschneidert für Bernhard Hurm: Alle spüren: Hier haben wir eine in ihrer schicksalhaften Verstrickung tragisch große Figur. Aktuell ist er in einen Kampf verstrickt, den er nicht mehr versteht und auf seine Art nicht mehr gewinnen kann – diese Vergeblichkeit, das Schlagen mit seinen gebrochenen Flügeln, das anfallartige Poltern und Bellen verleiht ihm zusätzlich Tragik – und jede Menge Komik. Gerd Plankenhorn als die andere ernstzunehmende, nahegehende Figur dieser Tragikomödie. Ein Mann von heute, Transitexistenz im Maßanzug, Ehe gescheitert, von so alltäglichen wie hochtechnischen Alltagsgeräuschen begleitet, das Handy summt, die Schranke am Flughafen Piepst, die Skypeverbindung tutet. Schon ein Guter, auch wenn er manchmal schlecht mitspielen muss. Gegen diese beiden bleiben die anderen Kinder im eher flachen Figurenbereich. Aber sonst ist das eine tragikomische, schwäbische Boulevardkomödie, vom Stoff her ein Muss für den Lindenhof, von der Regie her gediegen gearbeitet, brauchbar, gut, unterhaltsam. (Von Peter Ertle)
Schwäbisches Tagblatt, 05.03.2018