Vom Himmel durch die Welt zur Hölle?
Nach Faust. Der Tragödie erster und zweiter Teil
von Johann Wolfgang von Goethe

Der Faust: Es gibt wohl kaum ein Theaterstück, das so tiefe Spuren in den vergangenen zweihundert Jahren hinterlassen hat. Die Figur galt uns als Vorbild, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Ganz im Sinne der Aufklärung. Was aber, wenn das Streben nach Erkenntnis nie zufrieden macht, wenn der Verstand an Grenzen stößt? Was, wenn der Verstand diese Grenzen überschreiten will und dafür den Pakt mit dem Teufel eingeht? Diese Frage hat Goethe umgetrieben und fordert uns immer noch heraus. Faust, das ist ein Volksbuch, ein Steinbruch, ein Mythos. Dr. Faustus, Urfaust, Faust I, Faust II, ein ganzes Leben lang hat Goethe dieser Faust beschäftigt. Der Faustkosmos ist ein Gedankenstrom, eine Zeitreise. Er überlässt es der Nachwelt, diese Geschichte zu entschlüsseln. Die Nachwelt, das sind wir. Denken, reden, spielen. Wir  setzen uns mit Goethes Werk auseinander und konfrontieren den historischen Stoff mit den Herausforderungen von heute: #metoo, Krieg, Migration, Gentrifizierung, Trump,…

Faust neu abgemischt. Vorhang auf für einen multimedialen Szenenreigen

Infos


Dauer: 100 Minuten

Regie: Christoph Biermeier
Bühne & Kostüme: Clauda Rüll Calame-Rosset
Musikalische Leitung: Thomas Unruh
Regieassistenz: Jakob Heim
Dramaturgie: Georg Kistner
Premiere: 1. März 2019, Theater Lindenhof Melchingen

Pressestimmen

  • Regisseur Christoph Biermeier und seine Darsteller Linda Schlepps, Gerd Plankenhorn und Stefan Hallmayer nähern sich Goethes zentralem Werk mit radikal heutigen Mitteln als Menschen, die ihre Rollen, die sie spielen, hin und wieder auch tauschen und hinterfragen an. Zur Besonderheit von Biermeiers Inszenierung und Georg Kistners dramaturgischem Konzept gehört es, dass im Spiel der Darsteller – wie in einer offenen Laborsituation – alles möglich ist. Da werden Szenen variiert, wiederholt und verworfen. Da werfen sich die Akteure Textstellen um die Ohren, die für oder gegen etwas sprechen. Da wird im Stil rechtsradikaler Bands musikalisch gepoltert (in Auerbachs Keller) Oder Heinz alias Faust, der im Stil Harvey Weinsteins Gretchen im Bademantel empfangen hat, gibt sich selbst singend mit den Worten „I Did It My Way“ die Absolution. Viel hat Biermeier in den Theaterabend hineingepackt, wie die Flüchtlinge, die vor Europas Küsten im Meer ertrinken. Es ist aber auch immer wieder erstaunlich, wie viel in „Faust“ über Dinge, die uns heute beschäftigen, drin steckt. Die Schauspieler geben den ganzen Abend lang alles, immer bereit, vom Jetzt in den Originaltext und seine Empfindungen abzutauchen, um im nächsten Moment die vorgefundene Situation zu konterkarieren oder auch hemmungslos gegen den Strich zu bürsten. (Christoph B. Ströhle)
    Reutlinger Generalanzeiger, 04.03.2019