Rüll gelingt eine eindringliche Inszenierung, in der Haugs Worte den Zuschauer mit rhythmischer Leichtigkeit und emotionalem Gewicht treffen. (…) Im Gegensatz zu Haugs Inszenierung, in der der Text ’stumm‘ projiziert wird, lässt Rüll die Worte nahezu ungekürzt sprechen: von einem vierköpfigen Ensemble, die Kinder des Vaters, die als sachliche Referenten berichten, als Erinnernde erzählen, poetisieren oder singen, im Loop, als Chor unisono oder zeitversetzt. Ein Konzept, das den immanenten Rhythmus des Textes herausarbeitet. Ist die erste Hälfte noch mit weitreichenden Theoriedetails und Beschreibungen gespickt, rast der zweite Teil ins Nichts, reiht Vater-Ebene und MH370-Historie im Staccato hintereinander – im gnadenlosen Sog. Das Timing der Schauspieler:innen ist fast perfekt. Vor allem Hannah Im Hof und Rino Hosennen überzeugen mit Wandungsfähigkeit in Stimme und Spiel zwischen Beobachtendem und Erlebendem. (…) Bernhard Hurm als Vater und Carola Schwelien als dessen Lebensgefährtin tauchen in kurzen Videosequenzen oder als Stimmen vom Band auf. Dass Hurm leicht Dialekt spricht, macht ihn ‚echt‘, er tritt aus dem Stück heraus – erhält dadurch Präsenz in seinem Verschwinden. Ein ähnliches Heraustreten schaffen die direkte Ansprache des Publikums (bei Saallicht) oder das Lesen-Lassen einzelner Sätze des Vaters von Zuschauer:innen. Sounddesign und Musik von Thomas Unruh reichen von Geräuschkulisse – ein „Doppel-Ping“ ähnlich dem Anschnallzeichen im Flugzeug oder aber ein Herzrhythmus – bis zum Lied, wobei die Schauspieler:innen sowohl Loop als auch Glockenspiel bedienen. Der Sound unterstützt den Textrhythmus und erzeugt Stimmungen beim Zuschauer: Beklemmung durch scharfe, laute Klangformen oder erleichterndes Lachen, wenn die Erholung des Vaters mit ausgelassenem Tanz gefeiert wird. (…) „All right. Good night.“ des Theater Lindenhofs berührt. Das liegt an der Kraft von Haugs Sprache und am Vertrauen des Melchinger Teams auf diese Sprache – wodurch das poetische Wort-Skelett in seiner schlichten Prägnanz glänzen kann. (Susanne Greiner; Die Kritik ist online abrufbar auf nachtkritik)