Weil es das Theater Lindenhof ist…
… finden Rollenwechsel nicht nur auf der Bühne statt
Von Nathalie Skrzipczyk
Hüte, Mützen, Kappen – neben vielen praktischen Funktionen können Kopfbedeckungen auch Individualität und Identifikation ausdrücken. Sie geben Aufschluss über die (soziale) Rolle derjenigen, die sie tragen. Hüte und Co. sind daher Kostümelemente, die helfen, die Bühnenfigur sozial einzuordnen und zu charakterisieren.
Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im übertragenen Sinne setzen sich Menschen des Lindenhofs regelmäßig verschiedene Hüte auf, weil sie mehrere Funktionen im Theaterbetrieb übernehmen. So pendelt Carola Schwelien zwischen Schauspiel, Theaterpädagogik und Regie am Lindenhof, Franz Xaver Ott übernimmt die Rollen des Schauspielers, des Dramaturgen, Regisseurs und Autors. Gerd Plankenhorn ist Schauspieler und Tourmanager zugleich. Das sind nur drei von vielen Beispielen von Lindenhöfler*innen mit Mehrfachfunktionen. In jeder ihrer Rollen tragen sie sinnbildlich einen anderen Hut. Jeder dieser Hüte repräsentiert einen anderen Status und eigenen Verantwortungsbereich. Und jeder erfordert jeweils eine angepasste Denk- und Handlungsweise. Ist etwa Carola Schwelien Schauspielerin, dann bekommt die Bühnenfigur „alles, was sie braucht“ von ihr. Handelt sie in der Position der Regisseurin, hat sie das große Ganze im Blick. Und als Theaterpädagogin leitet sie Lai*innen zum aktiven Theatermachen an. Wissen und Erfahrungen all ihrer Rollen trägt sie gleichzeitig immer in sich und kann diese für andere Positionen fruchtbar machen.
Da ist es nicht immer leicht, die Aufgabenbereiche zu trennen. Um den Arbeitsalltag zu bewältigen, sind gute Organisation und Grenzen wichtig. Denn Arbeitsabläufe sind nicht immer miteinander vereinbar, Gleichzeitigkeiten können überfordern und durch den Statuswechsel können Reibereien mit den Kolleg*innen entstehen. Mit den verschiedenen Anforderungen zu jonglieren, ist jedoch durchaus attraktiv. Nicht umsonst entscheiden sich die Menschen mit Mehrfachfunktionen am Theater Lindenhof bewusst für diese Arbeitsweise. Das erlaubt ihnen, sich den Reiz der Abwechslung und damit den Spaß an der Arbeit zu bewahren und ihre vielfältigen Interessen auszuleben.
Die Möglichkeit mehrfacher Arbeitsfunktionen am Theater Lindenhof entstammt der selbstorganisierten, selbstverantworteten und selbstgestalteten Arbeitsweise der Freien Theaterszene. Diese hatte sich seit den 1960er-Jahren auch deshalb von den etablierten Stadt- und Staatstheatern gelöst, weil Kreativität sowie hierarchische und strikt getrennte Aufgaben als nicht verträglich zueinander erlebt worden waren.
Natürlich gibt es mittlerweile auch am Theater Lindenhof feste Positionen und Menschen, die sich gezielt und ausschließlich für eine Tätigkeit entscheiden. Aber genau das ist doch das Schöne: Nicht immer, aber immer wieder können sie sich aussuchen, welche und wie viele Hüte sie sich aufsetzen möchten. Das Theater Lindenhof macht es möglich.